... übrigens
… in der politischen Diskussion werden die Begriffe konservativ, liberal und sozial häufig als Etiketten benutzt. Dabei drängt sich oft der Eindruck auf, dass nicht alle Benutzer dieser Worte sich immer im Klaren sind, was sie genau bedeuten.
Für eine politische Streit- und Diskussionskultur ist es jedoch von großem Vorteil, wenn wir wissen, was wir meinen.
Was bedeutet konservativ? Um das zu klären, ist es sinnvoll, sich dem Begriff etymologisch zu nähern. Im Lateinischen bedeutet „conservare“ bewahren und erhalten.
Wir wissen allerdings, dass die Veränderung eine Konstante und gleichzeitig das Perpetuum Mobile der Evolutionsgeschichte der Menschheit ist. Somit stellt sich die Frage, wie können wir bewahren angesichts fortwährender Veränderung?
Der Philosoph Immanuel Kant aus Königsberg (1724 bis 1804) hat uns mit seinem kategorischen Imperativ angehalten, nur so zu handeln, dass unser Handeln auch als allgemeines Gesetz dienen könnte.
Das heißt, dass sich unser Handeln immer am Allgemeinwohl ausrichten sollte. Der Erhalt des Status Quo und dessen Weiterentwicklung, sodass wir alle daran teilhaben können, ist konservativ.
Hans Jonas, Philosoph aus Mönchengladbach (1903 bis 1993), hat uns in seinem Buch „Das Prinzip Verantwortung“ dazu aufgefordert, dass die Folgen unseres Handelns kompatibel sein müssen mit der Permanenz menschlichen Lebens auf Erden. Auch das ist konservativ, denn es geht um den Erhalt unseres Planeten auch für nachfolgende Generationen.
Dabei stellt sich uns angesichts des immer schneller werdenden technologischen Fortschritts und des damit verbundenen Strukturwandels die Frage, ob wir alles tun dürfen, nur weil wir es können.
Konservativ bedeutet in diesem Kontext, dass wir bereit sein müssen, nur so zu verändern, dass wir nicht das verlieren, was wir bewahren wollen. Dazu bedarf es eines handlungsleitenden Wertesystems.
Dies hat der italienische Schriftsteller Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896 bis 1957) treffend so auf den Punkt gebracht: „wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, dann müssen wir bereit sein, alles zu verändern.“
Damit gelangen wir zum Verständnis wertkonservativer Politik. Erhard Eppler (1926 bis 2019), ehemaliger SPD-Politiker aus Baden-Württemberg, hat in seinem auch heute noch lesenswerten Buch „Ende oder Wende“ als wertkonservativ eine Politik bezeichnet, die sich für die Bewahrung der Natur, einer humanen und solidarischen Gemeinschaft und der Würde des Einzelnen einsetzt.
Er wollte damit die Politik der SPD mit einem Gütesiegel versehen und die CDU in die strukturkonservative Ecke stellen. Strukturkonservativ ist dagegen eine Politik, der es vor allem in erster Linie um den Erhalt der Macht geht.
Das ist schon im Ansatz mit dem „C“ der CDU und einer seriösen Exegese biblischer Texte unvereinbar.
Auch ging es der CDU von Anbeginn mit der vor 76 Jahren von Ludwig Erhard, Alfred Müller-Armack und Walter Eucken entwickelten Sozialen Marktwirtschaft um eine soziale und damit solidarische Gesellschaft und den Wohlstand für alle.
Damit sollte die Wirtschaft immer dem Menschen dienen und nicht umgekehrt. Daran hat sich nichts geändert.
Konservativ in seinem besten Sinne entspricht auch dem Wesensgehalt der Nachhaltigkeit. Nachhaltig handeln wir, wenn wir unser Handeln so ausrichten, dass auch nachfolgende Generationen ihren Bedürfnissen gemäß planen und leben können.
In diesem Sinne hat Nachhaltigkeit immer eine ökonomische, eine ökologische und eine soziale Dimension.
Dem entsprechend politisch zu handeln, ist im wahrsten Sinne konservativ. Insofern bekommt der berühmte Satz von Franz Josef Strauß von 1968, „konservativ heißt an der Spitze des Fortschritts zu stehen“ eine neue Bedeutung.
Linksintellektuelle Apologeten werden nicht müde, Konservativismus als eine „antiegalitäre, antirevolutionäre Haltung, deren höchste Werte Ordnung und Eigentum sind“ zu diskreditieren. So auch Natascha Strobl in ihrer Schrift „Radikalisierter Konservatismus.“
Davon kann keine Rede sein. Konservativ bedeutet, geschichtsbewusst zu denken, um die in der Vergangenheit gemachten Fehler nicht zu wiederholen.
In der Hochphase der ideologischen Auseinandersetzung der berühmten 68er sollte die Realität nach den Vorstellungen der Kulturrevolution verändert werden. Dazu gehörte auch die Transformation der Gesellschaft und der bürgerlichen Familie.
Von den konservativen Denkern wie Edmund Burke über Günter Rohrmoser, Eric Voegelin, Armin Mohler, Hermann Lübbe bis Robert Spaemann herrschte allerdings immer ein Grundkonsens dahingehend, dass Tradition im Sinne von Carl Friedrich von Weizsäcker immer als bewahrter Fortschritt und Fortschritt als weitergeführte Tradition zu verstehen ist.
Konservativ in seinem besten Sinne bedeutet deshalb das Eintreten
· für Freiheit auch als Verpflichtung zur Übernahme von Verantwortung für Staat und Gesellschaft
· für Gerechtigkeit und das Bekenntnis zur Stärke des Rechts
· für soziale Gerechtigkeit und die Teilhabe aller an der Gesellschaft, das setzt das Grundrecht auf Bildung und ein finanzielles Minimum voraus
· für die Bewahrung der Schöpfung und die „Wohnlichkeit der Welt“ auch für nachfolgende Generationen
· für den Grundsatz „salus publica suprema lex“
· für einen ethisch legitimierten Fortschritt.
Das ist in eine klare, auch philosophisch begründete Position und grenzt sich von allen Versuchen ab, sie als „rechte Politik“ zu stigmatisieren…
Darüber lohnt es sich, einmal nachzudenken.
Mit freundlichem Gruß
Ihr
Criticus